Was ist ADS / ADHS?
Im deutschsprachigen Raum hat man sich in den letzten Jahren auf die Bezeichnung ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Störung) mit und ohne Hyperaktivität bzw. ADHS (Aufmerksamkeits – Defizit – /Hyperaktivitäts – Störung) geeinigt. In der Literatur finden sich aber auch die englische Bezeichnung ADD bzw. ADHD (Attention-Deficit-Disorder with or without Hyperactivity), MCD (Minimale Cerebrale Dysfunktion), POS (Psychoorganisches-Syndrom) oder HKS (Hyperkinetisches Syndrom). Der Einfachheit halber verwende ich im Folgenden die Bezeichnung ADS.
Wie entsteht diese Störung?
ADS ist eine neurobiologische Stoffwechselerkrankung, die eine stark genetische Komponente mit einer Dominanz von 91% aufweist. Diese Störung wird unabhängig vom Kulturkreis in allen Ländern der Erde und in allen Gesellschaftsschichten beobachtet. Für international anerkannte Experten steht inzwischen fest, dass ADS bereits bei den ersten klinischen Anzeichen behandlungsbedürftig ist. Bereits 1500 v.Chr. gibt es Berichte, die einen deutlichen Hinweis auf ADS liefern – ebenso wie die Biografien von Mozart, Einstein, Edison, Lincoln, Pestalozzi, Hemingway, Churchill, Kennedy, Clinton, Gates und vielen anderen großen Geistern. Im Vordergrund stehen jeweils die bahnbrechenden Ideen dieser Menschen – die großen Probleme, die sie in ihren sozialen und familiären Beziehungen hatten, werden nur am Rande erwähnt. Viele von ihnen benötigten Suchtmittel wie Alkohol, Tabak oder Kokain, um ihre Begabungen überhaupt nützen zu können. Bei unzähligen namenlosen Forschern, Revolutionären oder Entdeckern war wahrscheinlich ADS die Triebfeder für ihren ungewöhnlichen Lebenslauf.
Modediagnose?
Die genetische Disposition für die ADS führt nicht immer zu klinischer Auffälligkeit. Wenn solche Kinder genügend Zeit zur Entwicklung haben, wenn sie in Ruhe lernen können, wenn sie genügend Möglichkeiten zu Bewegung haben, wenn sie liebevoll konsequent erzogen werden, wenn sie in sicheren sozialen und finanziellen Verhältnissen aufwachsen, dann wird sich diese Erbanlage möglicherweise überhaupt nicht oder nur in geringem Ausmaß zeigen. Unsere Zeit bietet aber das krasse Gegenteil: einander widersprechende pädagogische Konzepte, große Klassen, Reizüberflutung, überforderte Erzieher, gesellschaftspolitische Unsicherheit. Es darf einen daher nicht wundern, dass heute wahrscheinlich alle Kinder mit dieser genetischen Disposition im Laufe ihres Lebens auch klinisch auffällig werden.
Woran erkennt man Menschen mit ADS?
Es gibt zwei international anerkannte Klassifikationssysteme, die ICD-10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation) und das DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of the American Psychiatric Association, 1994); sie stimmen in der Beschreibung der Kernsymptome bei ADS überein.
Wie äußern sich die 3 Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität?
Unaufmerksamkeit:
- beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler
- hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten
- scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn/sie ansprechen
- führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und kann Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen (nicht aufgrund von oppositionellem Verhalten oder Verständnisschwierigkeiten)
- hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren
- vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit Aufgaben, die längerandauernde, geistige Anstrengungen erfordern (bei Kindern und Jugendlichen: Mitarbeit im Unterricht oder Hausaufgaben, bei Erwachsenen: z.B. Erstellung von Arbeitsplänen, Protokollen, Berichten o.ä.)
- verliert häufig Gegenstände, die für Aufgaben oder Aktivitäten benötigt werden
- lässt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken
- ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich
Hyperaktivität:
- zappelt häufig mit Händen oder Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum
- steht (häufig) in der Klasse oder in anderen Situationen auf, in denen Sitzenbleiben erwartet wird
- läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen es unpassend ist
- hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen
- ist häufig „auf Achse“ oder handelt oftmals wie „getrieben“
Impulsivität:
- platzt häufig mit der Antwort heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist
- kann häufig nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist
- unterbricht und stört andere häufig (platzt z.B. in Spiele, Gespräche oder Beschäftigungen anderer hinein)
- redet häufig übermäßig viel (ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren)
Übereinstimmende Voraussetzungen in ICD-10 und DSM-IV
Beide Diagnosesysteme (ICD-10 und DSM IV) legen weitgehend übereinstimmend fest, dass:
- die Symptome mindestens sechs Monate lang in einem dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenem Ausmaß vorliegen;
- die Störungen (nach ICD-10) bzw. einige beeinträchtigende Symptome der Störung (nach DSM-IV) bereits vor dem Alter von sieben Jahren auftreten;die Beeinträchtigung durch diese Symptome sich in zwei oder mehr Lebensbereichen (z.B. in der Schule bzw. am Arbeitsplatz und zu Hause) oder (nach ICD-10) auch an einem anderen Ort zeigen, an dem die Kinder beobachtet werden können;
- deutliche Hinweise auf klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen vorhanden sein müssen.